Stadtarchäologie Passau, Stadtmauer - Nikolastraße
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Aktualisiert am 28.03.06

Archäologische Untersuchung an der Stadtmauer von 12091

Die Quellen:
Eine auf das Jahr 1209 datierte Urkunde berichtet von einer Erneuerung (Schwäche des Walles und Baufälligkeit der Mauer) im Bereich des Neumarktes. Um Sicherheit gegen Angriffe von Feinden, in dieser Zeit die Grafen von Ortenburg zu haben, beschließen Domherren, Ministeriale und Bürger eine Steuer zu erheben, um eine neue Stadtbefestigung mit Graben und Mauern errichten zu können. Beispiele für steuerpflichtige Güter werden genannt, ebenso die verantwortlichen acht Kanoniker und 24 Bürger, die Sorge dafür tragen, dass bis zur Fertigstellung von Mauer und Wall die Steuern dafür ausgegeben werden und auch nach Vollendung des Werkes die Abgabe sofort aufgegeben wird. Interessant ist, dass hier eine ältere Stadtmauer durch eine neue ersetzt werden soll, der Neumarkt also schon vor 1209 durch eine Befestigung geschützt war. Außerdem werden in der Urkunde neben dem Domkapitel und den Ministerialen auch Passauer Bürger genannt, denen somit wichtige Kompetenzen in dieser Steuerkommission zugestanden werden. Die Bürger, die von der Abgabe am stärksten betroffen waren, hatten also ein Mitspracherecht.2

Die Grabung:
Auf dem ältesten Stadtplan von Passau mit exakten Vermessungen aus dem Jahre 1826, 1829 publiziert (Abb.1), ist die Stadtmauer mit den späteren Veränderungen noch vollständig eingetragen. Sie verläuft von der Donau etwa in Höhe des heutigen Schanzlturms in südlicher Richtung entlang der heutigen Nikolastraße (hierunter lag der vorgelagerte Graben) bis zum Inn - endend am Karolinenplatz. Die Stadtmauer ist eine sogenannte Abschnittsbefestigung. Sie besteht aus der eigentlichen Mauer mit mehreren Türmen, einer vorgelagerten Zwingermauer mit halbrunden Türmen und dem Graben. Tore waren das Burg- oder Bürgtor, das später durch das Tor am Ludwigsplatz ersetzt wurde. Den zweiten Zugang bildete ein Tor am Karolinenplatz.
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Die Stadtbefestigung wurde bereits bei verschiedenen Grabungen der Stadtarchäologie in den 90er Jahren dokumentiert. Erwartungsgemäß traten daher auch bereits bei den Baggerarbeiten die Zwingermauerreste zu Tage. Einschließlich des Schalenturms wurde die Zwingermauer in einer Länge von 15,30m steingerecht im Planum aufgenommen (Abb. 2). Um etwas über die Konstruktion, die Gründungstiefe, den Erhaltungszustand zu erfahren, wurden zwei Schnitte gelegt. Ein Schnitt in OW-Richtung durch den Schalenturm ein zweiter O/W-Schnitt im Zwickel von Stadtmauer und Schalenturm an die Stadtmauer.   Vergrößern
A. Der Schnitt durch den Schalenturm (Abb. 3):
In dem Profil zeigte sich, dass der Schalenturm offenbar frei errichtet wurde und dann mit anstehenden sandigem Lößlehm verfüllt wurde. In einer Höhe von ca. 298,30 ü.NN. zeigte sich ein N/S verlaufender Balken als humose Verfärbung und im Ostprofil unter der bestehenden Schulhausmauer zu diesem Balken im Winkel von 90 Grad abweichend eine Balkenauflage. Wegen der fehlenden Funde kann man diesen Holzeinbau nicht datieren. Ob es sich um Teile einer ehemaligen Plattform oder Teile des Baugerüstes handelt, lässt sich somit nicht entscheiden. In der Verfüllung wurde kein Material geborgen.
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B. Profil an die Zwingermauer (Abb. 4):
Vergrößern Das zweite Profil an die Stadtmauer erreichte eine Höhe von knapp 6m (5,86m) (von der Gründung auf Fels bis zur heutigen Oberfläche). Die Stadtmauer selbst ist in einer Höhe von 5,32m ab Oberkante bis zur Gründung auf dem Felsen erhalten. Die schichtweise Abtragung des Profils ergab, dass sämtliche Schichten bis hin zum Fuß der Mauer Aufschüttungsschichten sind - und zwar wie die Funde noch aus den untersten Schichten zeigten, stammen sie aus dem 19. Jh. (Mineralwasserflaschen). Die Hoffnung der Stadtarchäologie einen Fixpunkt für die mittelalterliche Keramikchronologie durch Funde aus der Baugrube zur 1209 errichteten Mauer zu finden, zerschlugen sich somit leider. Das im 19. Jh. bis zum Fels das Gelände aufgegraben war, hängt möglicherweise mit der Verlegung des Abwasserkanals des 19.Jhs., etwa vier Meter von der Zwingermauer entfernt, zusammen.

Die Mauer wurde aus großen Granitbruchsteinen errichtet und mit einem weißen Kalkmörtel verbaut. Lehmhaltige, sandige Anteile in höheren Bereichen auch Ziegel, Steinchen fanden sich in dem Mörtel. Ab einer Höhe von 1,5m ab Gründung wird ein Gussmauerwerk sichtbar. Möglicherweise ist hier ein erster Absatz und und nur noch das Gussmauerwerk erhalten, die äußere Schale ist nicht mehr vorhanden. Einen weiteren Absatz gibt es in einer Höhe von 298,40 ü.NN.

Bei dem Neubau der Schule im ersten Bauabschnitt im ausgehenden 19.Jh. errichtete man nicht wie bisher angenommen, die Fassade auf der alten Zwingermauer, sondern erst hinter ihren Fundamenten. Die heute sichtbaren Schalentürme im Eingangsbereich entsprechen nur zum Teil den ergrabenen Befunden. Der in der Schulfassade angedeutete nördl. Schalenturm ist aus architektonisch/ästhetischen Gründen erfolgt, um den Eingangsbereich zu betonen. Der südl. Turm dürfte dem Turm der früheren Zwingermauer entsprechen. Die Stadtmauer aus dem Jahre 1209 ist eines der frühen Beispiele, von Mitbestimmung Passauer Bürger.

Das Denkmal Stadtmauer vereinigt auf sehr vielfältige Weise historische, militärische, aber auch juristische Aspekte der mittelalterlichen Stadt. Sie markiert einen Entwicklungsabschnitt. Sie bezeichnet aber auch ein bestimmtes Territorium wirtschaftlicher Entwicklung. Sie belegt die Wirtschaftskraft einer Stadt und dient Repräsentationszwecken. Darüber hinaus demonstriert sie die Wehrhaftigkeit der Bewohner. Die Stadtmauer definiert eine normale Besiedlung als Stadt. Sie grenzt sie von der Umgebung ab und kennzeichnet sie somit als eigenständigen Bereich. Daher galt auch hinter der Mauer oftmals ein anderes Recht als vor der Mauer. Das Denkmal Stadtmauer markiert wie kaum ein anderes Denkmal die Bedeutung und die Geschichte einer Stadt. Auf Grund dieser großen historischen Bedeutung ist man seitens der Stadt Passau entschlossen, dieses Monument Passauer Stadtgeschichte zu erhalten. Wahrscheinlich wird es in die Mensa der zukünftigen Schulerweiterung sichtbar integriert.


1 Verursacht durch die Schulerweiterung der Hauptschule St. Nikola führte die Stadtarchäologie Passau vom 13. Oktober - 23. November 2005 eine Rettungsgrabung an der Stadtmauer von 1209 durch. Die örtliche Grabungsleitung hatte Herr Dr. Gogräfe, vier Grabungsarbeiter der Stadt Passau waren beschäftigt (Hr. Bauer, Hr. Duck, Hr. Eichmann, Hr. Rug).

2 Im Bayerischen Hauptstaatsarchiv München wird ein besiegeltes Original (HU Passau 51) aufbewahrt, das in den Monumenta Boica 28 I S. 282 Nr. 53 publiziert ist. Diese Edition folgt der kopialen Überlieferung im Codex Lonsdorfianus, Bayerisches Hauptstaatsarchiv München, HL Passau 3, fol. 108. Die Publikation des Originals steht noch aus. Publiziert wurde die Urkunde zuletzt, auch mit deutscher Übersetzung in: Passau, Quellen zur Stadtgeschichte (Hrsg. E. Boshoff u.a., Regensburg 2004).



Text: Dr. Jörg-Peter Niemeier

Kontakt:
Stadtarchäologie Passau Dr. Thomas Maurer


 
 
 
 
 
 
 
 
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